„Erst das Chaos macht das Leben lebenswert und interessant!“
Sie erschrak ein wenig als sie auf die Uhr sah. Es war schon eine Stunde vergangen! Grübelnd betrachtete sie das Ergebnis ihrer Bemühungen. Die Kerzenhalter, welche sie auf die linke und die rechte Ecke des Tisches gestellt hatte, standen immer noch nicht gleich. Oder kam ihr das nur so vor? Eine Stunde hatte sie damit verbracht, dass die Kerzenhalter symmetrisch zueinander standen, aber das ganze Herumgeschiebe schien die Sache nur verschlimmert zu haben.
Erschöpft und vor allem frustriert lehnte sie sich zurück und betrachtete das Zimmer. Bei den gleich großen Bildern hatte sie sich nicht nur vergewissert, dass sie nicht schief hingen, sondern auch, dass sie in gleichem Abstand zueinander hingen. Dazu hatte sie extra einen Zollstock zu Hilfe genommen. Sie ging ins Arbeitszimmer und überprüfte die Anordnung der Bücher im Regal. Sie waren nicht nur nach Thema, sondern alphabetisch und zudem auch nach Größe geordnet. Dann wandte sie sich wieder dem Wohnzimmer zu.
Sie fegte penibel jedes Staubkorn von dem dunklen Couchtisch und sammelte alle hellen Teilchen von der Decke auf dem Sofa auf. Dann änderte sie mal wieder die Ordnung ihrer CD´s und Filme, die ihr immer noch nicht so recht gefiel. Sie hatte stets beobachtet welche Anordnung die effektivste war und doch hatte sie noch keine perfekte gefunden. Die Neuanschaffungen warfen ihre Ordnung immer wieder aus dem Konzept. Dann ging sie ins Schlafzimmer und ordnete ihren Kleiderschrank neu. Sie hatte schon viele Möglichkeiten ausprobiert und eine Mischung daraus gewählt: Nach Größe, nach Farbe nach Art, nach Gebrauch (Bevorzugung/Vernachlässigung) und nach Saison.
Als sie mit allem fertig, überprüfte sie noch mal alles und ruhte sich dann aus. Hierbei fiel ihr auf, dass sie die Anspruchnahme auf all die Ordnung soviel Zeit gekostet hatte, die andere Leute für andere Dinge nutzen würden. Sie wusste, dass sie das auch tun könnte, wenn die Ordnung nicht so einen großen Stellenwert in ihrem Leben hätte. Sie konnte nicht im Chaos leben. Für sie bedeutete Chaos Uneffektivität. Im Chaos fand man nichts, oder nie an der Stelle wo man es vermutete oder man brauchte Stunden um es zu finden. Hinzu kam, dass sie Perfektionistin war.
Selbst die ordentlichste Ordnung war noch nicht ordentlich genug. Es musste perfekt sein! Doch wozu diente es, außer dass es effektiv war und gut aussah? Überdeckte es möglicherweise ihre eigene Fehlbarkeit? Half es ihr zu vergessen, dass nichts wirklich perfekt sein konnte? Sie konnte nur diese wenigen Dinge beeinflussen und legte daher umso mehr Wert darauf. Die Welt war ein einziges, unbeherrschbares Chaos, doch ihr eigenes Refugium konnte sie beherrschen und ordnen.
Sie träumte den Traum vom perfekten Leben mit dem perfekten Mann und dem perfekten Haus, doch wenn sie „erwachte“ wusste sie, dass es alles nur eine Illusion war und das ihr Perfektionismus und ihre Erwartungen gegenüber sich selbst und gegenüber anderen Leuten und Dingen sie nur behinderten und ihr den Weg zu einem netten Leben voller Spaß versperrten, indem auch das Chaos seinen Platz haben musste, denn das Leben war nun mal chaotisch mit seltenen Augenblicken der Ruhe.
Mittwoch, 6. Juni 2007
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1 Kommentar:
Ich hätte auch gern ein Exemplar davon. Meine Wünsche ...
1) sie muß mir jeden Wunsch von den Lippen ablesen können
2) genau meine Interessen haben und beherrschen
3) sich mir komplett anpassen können
4) meine Gedanken verstehen
5) genau jene Handlungen voraus zun, welche ich gerade machen wollte
Zahlung in Bar oder per Kreidkarte kein Problem! Danke! *gg*
Wer daran glaubt perfekt sein zu müssen, richtet sich damit zugrunde. Das Feedbeack dessen wird heftig sein und mit voller Wucht zuschlagen. Aber dann heißt es eben: Wer nicht hören kann muß fühlen!
Kann ich gut nachvollziehen Hitana. Sehr schön und auch wahr beschrieben!
So bis dahin ...
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